Warum wir alle Vertrauen in eine gute Zukunft brauchen

Es kommt mir schon wie eine Ewigkeit her, dass ich hier auf Vis bin, von wo ich dir heute wiedermal schreibe. Obwohl innerlich in mir so viel in Bewegung ist wie noch nie, kommt es mir äußerlich manchmal vor, als wenn die Zeit hier auf Vis stehenzubleiben scheint. Es gibt Momente, in denen sie sich so verlangsamt, dass ich einfach nur dasitze und nichts mehr wahrnehme außer: Das Meer ist blau, der Wind bewegt die Bäume, die Sonne scheint, es ist warm.
Achtsamkeit und im Hier und Jetzt sein in Perfektion, so scheint es mir manchmal –  und das geschieht jetzt auf einmal ohne großes Üben ganz von selbst.

In anderen Momenten bin ich wieder in einer Art Fassungslosigkeit über das derzeitige Geschehen und ich ringe innerlich um ein Verstehen und Einordnen können dessen, was da gerade passiert. Anke Evertz, deren Buch „9 Tage Unendlichkeit“ ich letztens hier gelesen habe, hat es in einem Satz gut für mich ausgedrückt: „Sobald du erwacht bist, fühlst du alles.“
Genauso geht es mir. Ich fühle die Liebe, die Schöpfung mit all ihren Wundern, den Frieden, aber auch die Angst, die Ohnmacht, das Leid. Es ist nicht immer leicht, aber alles darf sein.

 

Wir üben uns in Geduld

Seit fast 3 Monaten sind Roman und ich nun hier auf der von der Außenwelt abgeschnittenen Insel Vis und harren der weiteren Entwicklungen. Wir warten darauf, dass wir in Deutschland wieder unsere Seminare geben dürfen, die einen sehr großen Teil unseres monatlichen Einkommens ausmachen, vor allem die stets lange im Voraus ausgebuchten Messerschmiedekurse von Roman, von denen wir jetzt schon einige absagen mussten. Da auch die Einnahmen durch die stornierten Vermietungen unseres Hauses hier und unseres Ladens in Deutschland, der jetzt gerade mal kostendeckend arbeitet, fehlen, ist unsere finanzielle Situation nach 3 Monaten mittlerweile doch etwas angespannt und stellt uns vor ganz neue Herausforderungen.

Oft, wenn ich in der letzten Zeit mit Menschen über meine Sorgen bzgl. der derzeitigen Entwicklung oder auch über unsere langsam schwierige finanzielle Situation gesprochen habe, bekam ich die gutmeinende Antwort: „Ja, es ist schwierig, aber vertraue doch darauf, das alles Gut wird, es wird bald alles besser werden. Vertraue doch darauf, dass das alles schon so richtig ist.“
Ok, ich bin ja schon lange spirituell geübt und weiß, was Vertrauen bedeutet. Ich trage auch tief in mir ein gewisses Grundvertrauen in das Leben an sich und dieses Vertrauen, zusammen mit der Gewissheit, dass das Leben es immer gut mit mir meint, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, ist auch nicht mehr erschütterbar.

Trotzdem gibt es, was die derzeitige Situation angeht und wie sie sich für mich anfühlt, doch ab und an Turbulenzen in mir.
Denn ich vermisse das Vertrauen gerade auch im Außen. Gestern habe ich in einem Podcast den Präsidenten des RKI, den Tierarzt Herrn Prof. Wieler, erst wieder von der zweiten Welle sprechen hören und jetzt wird ja auch schon eine dritte Welle immer mehr in den Köpfen der Menschen verankert. Auf die Nachfrage des Interviewers, ob es denn sicher sei, dass eine zweite Welle kommen würde, antwortete Herr Wieler ehrlicherweise, dass das niemand wisse.

 

Das Prinzip Angst

Diese Voraussagen sind es, die mir zur Zeit öfter so ein unbehagliches Gefühl verursachen. Niemand weiß, was in der Zukunft kommen wird, denn wir können alle nicht in diese Zukunft schauen. Trotzdem wird von den „Experten“ und denen, die derzeit mit großen Einschnitten in unser bisher „normales“ Leben über unsere gesellschaftliche Zukunft entscheiden, immer vom allerschlimmsten Worst-Case ausgegangen. Dieses Vorgehen konnte ich schon seit Beginn der ganzen Entwicklung feststellen, als es düstere und angstauslösende Vorhersagen über Millionen Tote und dramatische, nicht mehr beherrschbare  Zustände gab. Jetzt spricht man von den nächsten Wellen, die kommen werden und die dann vielleicht noch schlimmer werden oder davon, dass wir noch jahrelang mit vielen Einschränkungen werden leben müssen und nie mehr zu unserem bisherigen Leben zurückkehren werden. Ich empfinde das für mich als ein sehr bedrückendes Zukunftsszenario.

 

Das Prinzip Hoffnung

Wenn niemand die weitere Entwicklung wirklich kennt und vorhersagen kann, könnten sich unsere Politiker und Experten doch genauso gut auch dafür entscheiden, hoffnungsvoller, mutmachender und positiver in die Zukunft zu schauen und die Botschaft kommunizieren, dass es genauso gut sein könne, dass die Sache nun bald endgültig überstanden sei.  Denn auch das hat es mit einem neuen Virus ja schon oft gegeben, dass es dann auch wieder verschwunden ist oder seine Gefährlichkeit verlor.
Ich vermisse bei den täglichen Vorhersagen das Vertrauen in das Bessere, die ausgesprochene Hoffnung, dass alles wieder gut werden kann, so wie es mir selbst oft in den Gesprächen mit anderen empfohlen wird. Dass Zutrauen in die Menschen, dass sie Verantwortung für sich selbst übernehmen können und auch wollen. Genauso wie Eltern ihren Kindern vertrauen sollten und auch müssen, wenn sie ein gutes, verlässliches Verhältnis zu ihnen aufbauen wollen.

 

Eines meiner Herzensländer – Schweden

In Schweden interagiert die Regierung auf eine andere Weise mit der Bevölkerung und da ich Familie dort habe, mit denen ich regelmäßig in Kontakt stehe, weiß ich, wie sehr sie es schätzen, dass ihnen einerseits Vertrauen entgegen gebracht wird und andererseits Hoffnung vermittelt wird, dass man auf einem guten Weg sei.
Ich selbst war früher auch sehr oft in Schweden und höre immer wieder von anderen, dass die Schweden ja komplett anders ticken und eben viel liberaler seien und dass dieser offenere Weg deshalb nur dort möglich sei. Und damit meint man ja gleichzeitig, dass wir hier eben eine andere, strengere Behandlung brauchen, weil wir eben – ja, keine Ahnung – dümmer, unselbständiger, nicht an soviel Freiheit und Verantwortung gewöhnt sind oder nicht damit umgehen können?
Wenn das wirklich so sein sollte, dann sicher nicht, weil wir per se ein anderer Menschenschlag wie die Schweden sind, sondern weil wir uns zu all dem oben aufgeführten haben machen lassen. Ich habe bei meiner Familie und meinen schwedischen Freunden noch nie feststellen können, dass sie eine andere Art Menschen sind. Wir haben alle dieselben, natürlichen menschlichen Bedürfnisse nach Vertrauen, Hoffnung, Selbstbestimmung und Sicherheit.

 

Wie das Vertrauen verloren ging

In meiner Tätigkeit als Therapeutin sitzt mir, wenn ich beginne, mit jemandem zu arbeiten, eigentlich immer ein Menschen gegenüber, der das Vertrauen in sich, in das Leben und in andere verloren hat. Und durch die Erfahrungen, die wir in unserer Kindheit so gut wie alle gemacht haben, geht es vielen Menschen so. Es wurde uns als Kindern nicht viel zugetraut – so geht es Kindern übrigens auch heute noch – und andererseits wurde unser Vertrauen in unsere Eltern oder andere Erwachsene sehr oft enttäuscht oder missbraucht. Das zeigen die Geschichten, die ich von Menschen höre, immer wieder. Und dabei muss gar nicht etwas geschehen sein, was wir mit dem Begriff Missbrauch üblicherweise verbinden. Vertrauen kann auf viel subtilere Weise und in kleinen, immer wiederkehrenden Dosen zerstört werden. Und dabei tritt dann ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, den wir vordergründig gar nicht mehr bemerken. Wir bemerken es vielleicht nur dadurch, dass ein anderes Gefühl an die Stelle des verloren gegangenen Vertrauens getreten ist, nämlich die Angst.

 

Der Angst begegnen

Vertrauen und Angst schließen sich aus. Es kann nicht gleichzeitig beides da sein. Und Vertrauen ist nur dann wirklich erleichternd, entspannend und Sicherheit schenkend, wenn es bedingungslos ist. Nur so ein bisschen Vertrauen funktioniert nicht und wenn in deinem Vertrauen gleichzeitig viele kleine „Abers“ und Abstriche mitschwingen, ist es die Angst, die es wie einen löcherigen Schweizer Käse durchsetzt. Also dürfen wir, wenn wir wieder bedingungslos vertrauen wollen, erst einmal unserer Angst begegnen in dem Sinne, dass wir sie uns eingestehen, zugestehen, sie mitfühlend in uns wahrnehmen und uns – und das ist das allerwichtigste – nicht für sie verurteilen.
Der Prozess des Vertrauensverlustes und der Entstehung der Angst hat in unserer Kindheit stattgefunden. Er zieht sich weiter wie ein dunkler Faden, der uns einschränkt, der uns an einer freien Entfaltung hindert, der uns ungläubig werden lässt und der uns uns und andere verurteilen lässt, durch unser Leben. Er bestimmt, meist unbewusst, unsere Gedanken, Gefühle, Handlungen und unsere Ausrichtung.

 

Vertrauen finden

Angst in Vertrauen zu verwandeln – das ist die Aufgabe, die wir meinem Gefühl nach jetzt angehen sollen und auch angehen können. Und da nehme ich mich selbst nicht aus. Das ist die eigentliche Herausforderung, der wir uns jetzt mutig stellen dürfen und damit einen ganz großen Schritt in unserer eigenen Selbstfindung und Entwicklung tun können.
Dazu ist es notwendig, dir Zeiten der Stille zu gewährend, in dich hineinzuspüren, zu lernen, deine eigentlichen Gefühle wahrzunehmen, die sich oft hinter der Maske der vermeintlichen Selbstsicherheit und Härte dir selbst gegenüber verbergen und ehrlich und liebevoll mitfühlend mit dir zu sein. Je öfter du dies praktizierst, desto mehr Veränderung geschieht dann fast wie von selbst.

Alle Menschen brauchen Werte wie Hoffnung, Vertrauen finden und Sicherheit. Wenn wir das nicht mehr erleben können, wenn wir uns selbst und anderen das nicht schenken können, geraten wir in ein Ungleichgewicht, das uns straucheln lässt und an irgendeinem Punkt zu Fall bringen kann.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen, egal an welchem Platz wir im Leben oder in der Gesellschaft stehen, Mut und Vertrauen in eine hoffnungsvolle, lebenswerte, angstfreie, einander verstehende und verzeihende Zukunft und ich glaube daran, dass jetzt die Zeit dafür reif ist, aus der sich diese Veränderungen entwickeln können.

Fühle dich von ganzem Herzen und mit deiner ganzen Vorstellungskraft von mir in den Arm genommen und ich freue mich sehr darauf, wenn ich bald mit dem oder der einen oder anderen diese Herzensumarmung auch körperlich wieder spüren und geniessen kann.
 

Namaste – Eva

 

Da alle meine Seminare abgesagt wurden, es noch nicht klar ist, ab wann sie wieder stattfinden können und ich hier auf der isolierten Insel jetzt auch nicht die technischen Möglichkeiten und Unterstützung hatte, um Online-Angebote zu erstellen, empfehle ich dir gerne nochmal mein kleines Online-Retreat „Problemefasten“.

Ich habe es vor 3 Jahren hier auf Vis erstellt und es hat nichts von seiner Aktualität verloren. Du kannst es jederzeit und in deinem Rhythmus durchführen und ich freue mich, wenn es dir neue Impulse und Hilfen gibt in dieser Zeit.

Coaching- Einzelsitzungen per Telefon, Facetime oder Skype sind ebenfalls jederzeit möglich. Nachdem die Nachfrage in den letzten Wochen auf Grund der großen Veränderungen, die wir alle erlebt haben, bei allen Psychotherapie-Kollegen und Kolleginnen zurückgegangen war, nehmen die Anfragen jetzt wieder zu. Ich nehme die Sitzungen zur Zeit als sehr intensiv und tiefgehend wahr und es zeigt sich oft viel klarer und schneller als sonst, welches Thema sich jetzt verändern und heilen darf. Hier findest du mein Angebot.

2 Kommentare zu: “Warum wir alle Vertrauen in eine gute Zukunft brauchen”

  1. Ulrike

    Liebe Eva, sehr schöner Text. Ich lese zur Abwechslung auch manchmal Kritisches zu den Themen Meditation (etwa: Warum Mönche meditieren müssen) und Achtsamkeit („Die Achtsamkeitsfalle“) – und ich denke Workshop-Anbieter*innen sollten auch auf diese Kritik finden – vielleicht in einem Blog Posting dazu?

    LG Ulrike

  2. Stefanie

    Meine liebe Eva,

    wie wunderschön und so sehr berührend deine Zeilen. Ich empfinde genau wie du es beschreibst und deine Zeilen zu lesen verbindet mich so sehr mit dir. Ich denke an die Sitzungen und Seminare bei dir, die wundervollen Gespräche und wie sich seither mein Leben verändert hat und immer noch verändert. Und das ist so schön zu beobachten. Alles fühlen…. alles darf sein! Masken abnehmen und zu seiner eigenen Wahrheit zu stehen. Wunderbar <3

    Ich umarme dich von ganzem Herzen zurück und freue mich auf ein baldiges Wiedersehen.
    Steffi

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